Meine Geschichte. Trauma als transformative Kraft

There is a crack in everything. That's how the light gets in.

Dies ist meine Geschichte. Wenn dich etwas aus dem Text berührt, schreibe gerne einen Kommentar.

Diese Geschichte beginnt am 1. November 2015. An diesem Tag hatte ich einen Unfall. Und ich dachte, ich würde sterben.

Während dem Unfall überbrodelte die Angst in mir. Und die Angst blieb stecken. Nach diesem Unfall hatte ich für viele Woche jeden Tag das Gefühl, ich würde sterben.

Als ob mein Herz explodieren würde. Als ob ich keine Luft mehr bekommen würde. Es war schrecklich.

Einige Tage nach dem Unfall sagte eine Freundin: «Ich habe auch manchmal Panikattacken».

Panikattacken? Davon habe ich noch nie gehört. Aber ich verstand, dass es Sinn machte. Nun hatte ich ein Wort dafür. Und einen Einstieg. Nun war ich nicht mehr allein damit.

Ich führte mein bisheriges Leben weiter, zumindest die groben Strukturen: Ging weiterhin an die Uni und arbeiten. Und doch änderte sich alles. Ich hatte nun etwas in mir, mit dem ich nicht leben konnte. Deshalb fing ich an, nach Neuem zu suchen. Das Leben gab mir damals gar keine Wahl. Ich musste mich auf die Suche machen.

Die ersten Bücher und die erste Therapie. Somatic Experiencing

Mir war klar: Ich musste mein Leben ändern. Aus irgendeinen Grund war ich immer noch in dieser überwältigenden Angst gefangen. Aber warum?

Ich machte mich auf die Suche. 

In dieser Zeit kam mir in unserer Buchhandlung ein Buch in die Hand, das ich vorher nicht beachtet habe:

«Vom Trauma befreien» von Peter Levine.

Ich las in der Mittagspause darin und verstand: Was ich erlebt habe, hat einen Namen. Andere Menschen haben das auch. Hoffnung kam: Es gibt einen Mechanismus, ein Muster hinter dieser Angst. Und ich sah schemenhaft einen Weg, um da wieder rauszukommen.

Ich kaufte mir das Buch und las es zuhause durch. Dabei lernte ich, dass Peter Levine eine eigene Therapieform für Posttraumatische Belastungsstörungen mit dem Namen Somatic Experiencing entwickelt hat. Ich recherchierte im Internet und sah, dass es in meiner Stadt eine Therapeutin dafür gab.

Natürlich ging ich sofort zu ihr. Ich bin Peter Levine und dieser Therapeutin so dankbar für ihre Arbeit!

Weitere Bücher und weitere Therapien

In dieser Zeit hatte ich nur noch ein Ziel: Ich wollte, dass diese Angst wieder weg ging. Und dafür machte ich alles, was nur irgendwie hilfreich schien. Deshalb geschah vieles gleichzeitig. Zu den Sitzungen mit Somatic Experiencing probierte ich auch die Craniosacral-Therapie aus.

Und ich entdeckte weitere Bücher, die mein Leben für immer verändern sollen:

Zum Beispiel «Gewaltfreie Kommunikation» von Marshall Rosenberg.

Bei der Lektüre dieses Buches wurde mir immer klarer, dass ich mich und meinen Körper kaum spürte. Angst hatte ich über Jahre ignoriert, bis sie während dem Unfall überbrodelte. Wut hatte ich schon viele Jahre nicht mehr gespürt. Wie ich auch meinen Körper nicht spürte. Oder nur bestimmte Gefühle. 

Nun war sehr viel Traurigkeit da. Sehr viel Schmerz. Und viel Wut. Das alles durfte lange Zeit nicht sein. Und plötzlich waren alle diese Gefühle mit einem Schlag so stark da, dass ich sie nicht mehr ignorieren konnte.

Gewaltfreie Kommunikation gab mir wichtige Hilfsmittel dafür: Was ist das genau für ein Gefühl? Und welches Bedürfnis steckt dahinter?

Und mit Somatic Experiencing lernte ich auch, diese Gefühle im Körper wahrzunehmen und zu lokalisieren: «Traurigkeit fühlt sich so an». «Wut fühlt sich so an». Angenehme Gefühle gab es in dieser Zeit nicht viele. Es war so, als würden all die unangenehmen Gefühle, dich ich mein Leben lang verdrängt habe, sich alle an die Oberfläche drängen und sagen: «Schau mich jetzt an.»

Mein Leben bestand damals darin, meinen Teilzeitjob in der Buchhandlung zu machen und möglichst wenige Kurse an der Uni zu besuchen. Die meiste Zeit verbrachte ich mit meiner grossen Wunde.

Es war Zeit für Heilung.

Kurse und Ausbildungen

In der Sendung Sternstunde Philosophie lernte ich Jon Kabat-Zinn kennen. Ich meldete mich für einen 8-Wöchigen MBSR Kurs an.

Danach ging ich ins Meditationszentrum Beatenberg. Und dort begeisterte mich Akincano Weber so stark, dass ich ihn fragte, wo er dieses Wissen und dieses Sein entwickelt hatte. Er erzählte mir vom Kloster Dhammapala in Kandersteg. Sobald ich konnte, ging ich dort hin. Fast wäre ich dort auch Mönch geworden:-)

Und dann kam eine Focusing-Ausbildung bei Hans Neidhardt und später noch eine zweite bei Klaus Renn. Es war grossartig! Ich liebte es durch Focusing in Kontakt zu kommen: Zu mir, zu meinem Körper, meinen Gefühlen und diese in Kontakt mit anderen Menschen zu erkunden. Für mich war diese Erfahrung so heilsam, dass ich mich entschied, sie zu meinem Beruf zu machen. Gleichzeitig wusste ich auch, dass Focusing alleine mir nicht genug war. Ich wünschte mir noch mehr Wissen, noch mehr Hintergrund.

Ich machte mich auf die Suche und begegnete Hakomi, Körperarbeit nach Gerda Boyesen, Orgodynamik. Und schliesslich die Craniosacrale Biodynamik am ICSB in Bern.

Hier bin ich wieder angekommen. Es war eine volle Ausbildung. Sie verband alles, was mir damals wichtig war:

  • Körperarbeit
  • Arbeit mit dem Nervensystem
  • Arbeit mit Trauma
  • Arbeit mit vorsprachlichen Erfahrungen
  • Orientierung an etwas Grösserem
  • Spiritualität

Und gleichzeitig begann ich auch, eine Psychotherapie in Heidelberg. All das war sehr aufwändig und sehr teuer. Aber ich hatte keine Wahl. Ich musste es machen. Es wurde zu meiner Aufgabe, das Nervensystem zu verstehen. Trauma zu verstehen. Und einen Weg zu finden, um wieder rauszukommen. Und ich lernte auch andere Practitioner und Therapeutinnen kennen, mit denen ich Sitzungen austauschen konnte. Was für ein Geschenk!

Das Nervensystem balancieren

Durch all diese Arbeit und Erfahrungen konnte ich die grosse Angst abbauen. Die letzte Panikattake hatte ich vor über drei Jahren.

Und trotzdem ist dieses Thema für mich noch wichtig. Ich sehe Trauma in vielen Formen. Seit ich davon weiss und den Mechanismus verstehe, treffe ich diese Erfahrung überall an.

Ich glaube, dass das Nervensystem zu balancieren und in Kontakt mit sich zu kommen, die grösste Aufgabe dieser Zeit ist.

Ein doppelter Weg

Für mich zeigte sich in dieser Geschichte: Mein grösstes Problem wurde zum grössten Geschenk.

Oder wie Leonard Cohen sagte:

There is a crack in everything. That's how the light gets in.

Heilung von Trauma

Durch diesen Unfall, diesen Bruch, diesen Knacks konnte Licht reinkommen.

Durch dieses Trauma habe ich mich auf die Suche gemacht.

Dabei habe ich mein ganzes Leben transformiert.

Jetzt sehe ich es als meine Aufgabe, andere Menschen zu begleiten, damit sie in Kontakt kommen können: Zu sich, zum eigenen Körper, den eigenen Gefühlen, anderen Menschen, zur Essenz, zum grossen Ganzen, damit sie das Leben leben können, das ihnen entspricht und Wandlung zu ermöglichen.”

Das ist zu meiner Aufgabe geworden. Und darin bin ich mittlerweile gut.

Das ist die eine Geschichte. Und dann gibt es noch eine andere Geschichte. Über die werde ich später schreiben.

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