Achtsamkeit in Coaching und Therapie

Ganz offensichtlich geht von der Pflege der Aufmerksamkeit etwas Heilendes und tief Verwandelndes aus, eine Kraft, die in der Lage ist, uns unser Leben zurückzugeben.

Hier ist von ur-menschlichen Ressourcen die Rede, die in der Tiefe unseres Wesens verborgen sind wie ein unterirdisches Gewässer oder ein Mineralvorkommen, das im Felsgestein des Planeten eingeschlossen liegt.

Die Übung der Achtsamkeit ist heute also wichtiger denn je – als ein zuverlässiger Weg zu Gesundheit und körperlichem Wohlbefinden und nicht zuletzt als ein inneres Gegengewicht, das uns hilft, in einer sich überstürzenden Welt unsere geistige Gesundheit zu bewahren.

Er sass im Wartezimmer und auf seinem Gesicht lag ein Ausdruck von Hilflosigkeit und Verzweiflung. Dieser Mann hatte einen Herzinfarkt, der ihn in den Ruhestand zwang. Vierzig Jahre lang hatte er ein grossen Unternehmen besessen, jeden Tag gearbeitet und sich niemals Urlaub gegönnt. Er liebte seine Arbeit. Nach Angioplastie und Reha schickte ihn sein Kardiologe nun zur Meditation.

Mit Tränen in den Augen sagte er, dass er nicht mehr leben wollte. Sein Leben sei vorbei und sinnlos geworden, nichts mache ihm Freude, auch nicht das Zusammensein mit seiner Frau und seinen Kindern. Halb abwesend und den Tränen nah sagte er mir, dass er nicht mehr leben wolle und nicht wisse, was er an diesem Kurs solle.

Acht Wochen später war das Funkeln in seinen Augen nicht zu übersehen. Im Abschlussgespräch sagte er, dass die Arbeit sein ganzes Leben aufgezehrt habe und ihn fast umgebracht hätte, ohne dass ihm klargeworden sei, was er versäume. So habe er seinen Kindern, niemals seine Liebe ausgedrückt und er wolle jetzt endlich damit beginnen, solange ihm noch Zeit dazu bleibe. Zum Abschied nahm er mich fest in den Arm. Wahrscheinlich war es das erste Mal, dass er einen Mann umarmte.

Diese Geschichte beschreibt Jon Kabat-Zinn in seinem Buch Gesund durch Meditation (siehe unten).

Ihm ist es als Erstem gelungen, die Achtsamkeitspraxis systematisch in die medizinische Betreuung zu integrieren. Er gründete die Stress Reduction Clinic in Massachusetts und das 8 Wochen Programm MBSR. Ich habe 2016 einen MBSR-Kurs besucht und er hat mein Leben verändert. 

Was ist Achtsamkeit?

Achtsamkeit ist universell und so menschlich wie Humor, Musik oder Sprache. Alle Menschen können jederzeit achtsam sein. Alles, was es dazu braucht – ist Achtsamkeit.

Um Achtsamkeit zu entwickeln, müssen wir uns lediglich darin üben, unsere Aufmerksamkeit auf die Gegenwart zu richten. Sie ist eine Fähigkeit, die wie jede andere Fähigkeit durch Übung entwickelt werden kann. Wir können sie uns auch als einen Muskel vorstellen. Der Achtsamkeits-Muskel wird durch Gebraucht sowohl kräftiger als auch geschmeidiger und beweglicher.

Ein wichtiger Aspekt von Achtsamkeit ist die Nicht-wertende Aufmerksamkeit. Das heisst: Wahrnehmen was ist, ohne es gleich zu bewerten, zu unterdrücken oder zu verdammen. Falls Bewertungen reinkommen (und das passiert), gilt es, auch diese Wahrzunehmen, ohne sie sofort zu bewerten.

Das Schöne an dieser Haltung ist, dass sie keinerlei Tun verlangt, sondern lediglich, dass wir aufmerksam, wach und bewusst sind – Dimensionen des Seins, die immer schon das ausmachen, wer und was wir sind.

Für unsere praktische Belange definiere ich Achtsamkeit, wie später noch deutlicher wird, als die Bewusstheit, die sich durch gerichtete, nicht wertende Aufmerksamkeit im gegenwärtigen Augenblick einstellt

Achtsamkeit in Therapie

Die Wirkung von Achtsamkeit auf Körper und Geist

Achtsamkeit lässt uns wieder unseren Körper spüren und unsere Gefühle wahrnehmen. Dadurch haben wir mehr von uns zur Verfügung. Sie bringt uns zum gegenwärtigen Moment zurück. Und die Gegenwart ist der einzige Moment, wo wir etwas wirklich verändern und gestalten können.

Das Nicht-urteilende Erkennen von dem, was ist – wie schmerzhaft, beängstigend oder unerwünscht es auch sein mag – unterstützt Wandlung, Heilung und Entwicklung.

So gibt es denn bekannten Spruch:

Was sein darf, kann sich ändern

Kabat-Zinn schreibt:

Wenn wir unsere Energie einmal darauf richten, unseren Körper wirklich zu spüren, und uns davor hüten, in das urteilende Denken über den Körper zu verfallen, können sich unser ganzes Körpererleben und das Erleben unserer selbst in radikaler Weise verwandeln.

Durch das Nicht-urteilende Wahrnehmen von Körper, Gefühlen und Gedanken – ohne gleich reagieren zu müssen, erleben viele Menschen wirkliches Wohlbefinden und ein Gefühl der Zeitlosigkeit. Mit der Zeit lernen wir, innerlich ruhiger zu werden und in einen Zustand von Ganzheit zu kommen. Die Erfahrung von solchen Zuständen ist Nahrung für Körper und Geist.

Schliesslich ist die Achtsamkeit auch ein wesentliches Element der Selbstwahrnehmung und hilft dadurch, Möglichkeiten zur Verbesserung der eigenen Gesundheit und Lebensqualität zu sehen. Bei Krankheit, Stress und Unbehagen kann sie unterstützen, einen neuen Zugang zu finden.

Die Übung der Achtsamkeit kann zu der Entdeckung führen, dass es im eigenen Inneren eine Dimension tiefen Wohlgefühls, der Stille, Klarheit und Einsicht gibt. Es ist, als ob man eine neue Landschaft betreten würde, von der man bis dahin allenfalls eine vage Vorstellung hatte und die einen unversiegbaren Quell positiver Energie bringt, den wir zum Verständnis unserer selbst und zu unserer Heilung nutzen können. Und wir können leicht mit dieser Landschaft vertraut und in ihr heimisch werden, in jedem Augenblick it sie uns so nah wie unser Körper, unser Geist und unser Atem.

Achtsamkeit mit Cranio

Achtsamkeit als Herzstück von Focusing, Craniosacraler Biodynamik und KomplementärTherapie

In vielen Methoden von Coaching und Therapie ist Achtsamkeit schon eingebaut. Beim Focusing beispielsweise beginnt jeder Prozess mit dem Schaffen von Freiraum. Die Klientin wird eingeladen, ihr Problem für einen Moment auf die Seite zu stellen und sich ganz auf den gegenwärtigen Moment, den Atem und Körperwahrnehmungen einzulassen. Schon allein dadurch geschieht eine wesentliche Veränderung im System und macht neue Erkenntnisse und Schritte möglich.

Bei der Crainosacralen Biodynamik beginnt jede Sitzung mit einer kurzen Zentrierungsübung. In dieser Zentrierungsübung wird der Körper gespürt. Dabei geschehen Veränderungen auf mentaler und physiologischer Ebene, die den weiteren Prozess wesentlich stärken. Oft ist sichtbar, wie sich Klient entspannt, wie sich seine Atmung verlangsamt und sich seine Gesichtsmuskulatur entspannt.

In der KomplementärTherapie ist die Selbstwahrnehmung eines der drei Ziele (neben Stärkung der Selbstregulation und Stärkung der Genesungskompetenz). Die Selbstwahrnehmung ist eine wesentliche Voraussetzung, um krankmachenden Faktoren der Lebensführung bewusst zu werden. Und dann auch die Basis für Veränderungen.

In all diesen Methoden gilt darüber hinaus auch die Orientierung am Gesunden. Es ist leichter, sich auf Achtsamkeit einzulassen, wenn man sich am Gesunden orientiert. Wir gehen davon aus, dass, solange wir noch atmen, die gesunden Anteile in uns überwiegen, wie krank, entmutigt oder verzweifelt wir uns im Augenblick auch fühlen mögen. Und Achtsamkeit hilft, mit diesen gesunden Anteilen in Kontakt zu kommen.

SelfCare mit Achtsamkeit

Wir leben in einer Zeit, die sich weitgehend durch die Anforderung definiert, in einer zunehmend komplexen und beschleunigten Gesellschaft noch irgendwie den Alltag zu bestehen

Wir leben in einer Zeit, die sich weitgehend durch die Anforderung definiert, in einer zunehmend komplexen und beschleunigten Gesellschaft noch irgendwie den Alltag zu bestehen.

Die Digitalisierung, die uns erlaubt, überall und jederzeit mit der gesamten Welt in Verbindung zu treten, macht es uns gleichzeitig sehr schwierig, mit uns selbst und unserer inneren Welt in Kontakt zu kommen.

Ein gutes Werkzeug, um wieder in Kontakt mit sich selber zu kommen und SelfCare zu machen sind der Body Scan und die Zentrierungsübung.

Der Body Scan wird In aller Regel auf dem Rücken liegend ausgeführt. Dabei geht man im Geiste die verschiedenen Körperregionen systematisch durch. Er hat eine lange Geschichte in der buddhistischen Tradition. Er wird dort als Meditationsform kultiviert. Jon Kabat-Zinn übernahm ihn ins MBSR-Programm.

Die Zentrierungsübung findet im Sitzen oder Stehen statt. Sie lädt dich ein, den Körper als Ganzes zu spüren und die Verbindung nach unten, oben und dem Raum. Sie ist ein Werkzeug, das wir in der Craniosacralen Biodynamik nutzen und aus der Praxis heraus entstanden ist.

Mehr Informationen und betreffende Anleitungen dafür findest du hier:

Bodyscan (Link folgt)

Zentrierung (Link folgt)

Buchempfehlung

Weitere Buchempfehlungen findest du hier.

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